Wieder sind die Tage in ihrer Zahl geringer als in ihrem Gewicht dahingeeilt. Der Prozess dauert an, wenn auch gelegentlich pausiert. Wir knüpfen heute an mit dem, was ohne unser Zutun kommen darf.
Tag 19. Der empfangende Raum.
Impuls: Wo in mir darf etwas zu mir kommen – ohne mein Zutun?
Aufgabe: Nimm dir 20 Minuten Zeit für deinen bewussten inneren Empfangsraum. Lege dich hin, breite deine Arme leicht zur Seite aus und richte deine Aufmerksamkeit auf dein Herzfeld. Dann stelle dir innerlich vor, du wärst eine offene Schale. Bereit, etwas zu empfangen, das zu dir gehört. Es muss keinen Namen haben. Beobachte einfach, was sich zeigt, wenn du aufhörst, zu suchen. Notiere danach: Was wurde mir geschenkt? Welche Qualität war spürbar? Was durfte ich empfangen, ohne es zu kennen?
Ergänzung: Finde ein Symbol in deinem Setting, greife es inhaltlich auf und deute es dem Kontext entsprechend.
Mein inneres System ist noch intensiv damit beschäftigt, kürzlich Erlebtes zu verarbeiten, neuartige Begegnungen zu verdauen. Daher war es müßig, die innere Gedankenschale zu leeren um zu betrachten, was sich hinzugesellen möchte. Ich habe immer wieder Lichtimpulse erhalten. Ich habe das Gefühl bekommen, dass es jetzt nicht darum geht, zu reflektieren, sondern zu absorbieren. Nicht zurückzuwerfen, sondern anzunehmen. Aufzunehmen. Ein schläfriges Auge, geschlossen, aber wach. Eine Anwesenheit bekundend, die eine Wahl getroffen hat. Der Blick, nicht von Ermattung geprägt, sondern von einem nach innen gerichtet Sein. Eine runde Knospe, vielschichtig und facettenreich. Durchzogen von dicken Blattadern angeordnet in einer pulsierenden Nervatur. Jede Schicht ein essenzieller Teil des Ganzen. Ich erhalte Frieden und Ruhe. Ich blicke auf den Fluss, nicht seine Stauung.
Ergänzende Symbolik. Der Mond.
Durchdrungen von einer zarten, empfänglichen Kraft. Ein ruhiger, innerer Strom, der nicht mehr sucht, sondern aufnimmt. Das Bild des schlafenden Auges, das dennoch anwesend ist, sowie die Knospe als vielschichtiges Sein fügen sich harmonisch in die Symbolik des Mondes.
Der Mond steht in vielen Kulturen für das Weibliche, das Empfangende, das Wandelbare. Er ist nicht aktiv im klassischen Sinn. Er erzeugt kein Licht, sondern reflektiert das Licht der Sonne. In seiner stillen Präsenz beeinflusst er jedoch die Gezeiten, das Wasser, das Unterbewusste. Er wirkt auf das Verborgene und ist ein Spiegel innerer Zustände.
Wir erleben eine Phase des Rückzugs, in der das System nicht denkt, sondern verarbeitet. Nicht antwortet, sondern fühlt. Das schläfrige Auge. Geschlossen für die äußere Welt, aber offen für das Innere. Die Knospe ist der Mond in seiner Rundung. Vielschichtig, verborgen und bereit zur Entfaltung, sobald die Zeit reif ist. Wir reflektieren nicht mehr, wir absorbieren, wie der Mond das Sonnenlicht in sich aufnimmt und doch wandelt.
Was in mir darf still leuchten, ohne sich erklären zu müssen?
Diese Frage lädt dich ein, deine stille Kraft zu erkennen – jenseits von Beweisen oder Ausdruck.
Jener Teil, der die unbeantworteten Fragen enthält, darf still und mutig sein. Ganz sicher in der Gewissheit, dass es gerade diese empfundene Unvollständigkeit ist, die zu den zahlreichen Blütenblättern beiträgt. Der Kelch, der den Nektar hervorbringt. Die Vollständigkeit in der Fraktur zu erkennen. Das Trennende als Verbindung zu sehen.
Welcher innere Wandel geschieht in mir, während ich scheinbar nur empfange?
Denn wie die Mondphasen vollzieht sich auch Transformation ohne aktives Zutun. In Zyklen, leise und doch unumkehrbar.
Wenn ich mir erlaube, das Empfangene tatsächlich zu absorbieren, statt es großherzig in der Reflektion weiterzureichen, kann ich schließlich geben, ohne das Meine zu mindern.
So erfahren wir eine strahlende Selbstbegegnung. Nicht nur im Kontext der Symbolik des Mondes. Sondern im leuchtenden Ausdruck.
Mut, in der Unvollständigkeit zu ruhen. Ein Kelch, der aus dem Fragment das Ganze schöpft. Und wir erkennen: Wahres Geben beginnt erst dort, wo das Empfangene vollständig aufgenommen wurde. Was für eine stille, machtvolle Botschaft.