Festhalten am Unhaltbaren.

Festhalten am Unhaltbaren.

In einer stillen Ahnung von der Kraft, die mich umgibt blicke ich nach innen. Was fordert meine Kraftreserven? Gibt es eine Last, derer ich mir langsam bewusst werden darf?

Tag 18. Die verborgene Last.

Impuls: Welche Themen trage ich körperlich mit mir herum?
Aufgabe: Massiere instinktiv Körperstellen,  Schultern, Nacken oder Bauch – mit der Frage: Was willst du mir sagen? Und was bin ich bereit, jetzt loszulassen?
Ergänzung: Finde ein Symbol in deinem Setting, greife es inhaltlich auf und deute es dem Kontext entsprechend.

Was ich trage ist mehr als nur ein virtuelles Gepäck. Es ist das Gewicht des Gesuchten. Ich trage das, dem ich so lange auf der Spur bin bereits seit einiger Zeit Huckepack. Eine schöne Entdeckung. Aber noch nicht unbedingt erleichternd. Was ich suche ist bei mir. Aber geht dadurch das Gefühl des Suchens verloren? Abgesehen von dem Gewicht auf Schultern, Nacken und Kiefer gibt es noch einen Schub von hinten. Nicht direkt ein Gewicht, aber sehr wohl ein Druck. Nach vorn. Obgleich nicht klar ist, ob das vorn auch wirklich vor mir liegt. Ich spüre auch, dass etwas unter der Oberfläche im Verborgenen liegt. Da wartet etwas, das sich zeigen möchte. Freigelegt. Es ist schon nahe der Oberfläche und schimmert stellenweise vielleicht schon durch, ist aber eben noch verborgen. Meine Beine suchen meine Aufmerksamkeit. Sie sind bereit zu marschieren. Dieses mal entscheidet aber nicht der Druck aus dem Rücken. Sie kennen die Richtung. Es ist aber, als marschierten sie noch auf der Stelle. Worauf warten sie?

Was bin ich jetzt bereit loszulassen? Den Druck, etwas Suchen zu müssen. Das ist mir inzwischen sehr leidlich. Ich möchte nicht nur ankommen. Ich möchte weitergehen. Aber nicht suchend nach etwas bestimmtem, sondern offen für alles, was sich präsentiert.

Ergänzende Symbolik. Die Trauerweide.

Die Trauerweide ist ein Symbol des stillen Flusses der Gefühle. Ihre langen, herabhängenden Äste wirken wie Schleier aus Sanftheit – sie birgt Schmerz und Heilung zugleich. Sie neigt sich zur Erde, doch zerbricht nicht. Sie trägt das Bild einer würdevollen Trauer, die nicht erdrückt, sondern dem Loslassen Raum gibt. In vielen Kulturen steht sie für das Erinnern, das Weinen, das Wurzeln und für die stille Stärke, die im sanften Nachgeben liegt.

Wie die Trauerweide beugen wir uns dem inneren Gewicht. Nicht aus Schwäche, sondern aus einer tiefen Bereitschaft zur Selbsterkenntnis. Der Druck im Rücken, das auf der Stelle Treten der Beine, die Ahnung von etwas unter der Oberfläche: all das findet Entsprechung in der Geste der Weide. Sie zwingt nichts ans Licht. Sie wartet geduldig, bis der Wind es löst.
Auch wir sind bereit, nicht mehr zu suchen, sondern uns finden zu lassen. Die Trauerweide zeigt uns: Nicht jede Bewegung ist ein Marsch. Manche Bewegungen sind ein inneres Neigen. Ein Nachgeben, das nicht aufgibt.

Was in mir darf sich beugen, ohne dass ich mich dabei verliere?
Ich erkenne, dass ich immer noch eine Form von Kontrolle ausübe, die nicht möglich ist. Etwas hält oder zieht an dem Unhaltbaren. Ich verschenke Kraft, ohne einen Hauch von Wirkung zu erzeugen. Ich darf mich beugen. Geradezu ver-beugen vor dem Unkontrollierbaren. Denn erst dann finde ich, was ich suche. Und verlieren werde ich mich dabei gewiss nicht.

Welche stille Weisheit liegt in dem, was ich (noch) nicht erzwingen kann?
Es ist nicht vorgesehen. Nicht unter diesen Bedingungen. 

Wie oft halten wir an dem Unhaltbaren? Verschenken Kraft an das, was sich nicht greifen lässt? Doch in der Beugung liegt keine Schwäche, sondern Würde. Wir dürfen uns ver-beugen vor dem Unkontrollierbaren. Denn dort beginnt das Finden. Wir verlieren uns nicht. Wir finden uns tiefer.

Die Weisheit des Nochnicht ist leise. Sie sagt: Nicht unter Zwang. Nicht unter diesen Bedingungen. Was kommen will, kommt wie die Weide zum Fluss. In seinem eigenen, unbestechlichen Tempo und Rhythmus.