Die vergessene Göttin.

Die vergessene Göttin.

Mokosz. Die vergessene Göttin der Erde, des Wassers und des Schicksals.

In den Tiefen der slawischen Seele lebt eine alte Göttin, deren Kraft heute wieder mehr Beachtung findet: Mokosz. Mutter Erde, Hüterin des Wassers, Schicksalsspinnerin und Beschützerin der Frauen. Ihr Name klingt weich und rund wie ein Tropfen Wasser, der ins Erdreich fällt. Und genau das ist sie auch: Verbindungspunkt zwischen Erde und Quelle, zwischen dem Sichtbaren und dem gewebten Faden des Lebens.

Wer ist Mokosz?

In der vorchristlichen Mythologie der Ostslawen nahm Mokosz eine herausragende Stellung ein. Als einzige Frau im offiziellen Pantheon von Fürst Wladimir dem Großen, der im Jahr 980 in Kiew ein Heiligtum für die Götter errichten ließ, stand sie gleichrangig neben männlichen Gottheiten wie Perun, dem Donnergott, oder Veles, dem Gott des Viehs und der Unterwelt.

Mokosz war keine Kriegerin, und auch keine Verführerin. Sie war das, was den Alltag trug. Sie war Erde und Regen zugleich, Samenkorn und Geburtshelferin. Man rief sie an für Fruchtbarkeit, für gesunde Kinder, eine reiche Ernte, gutes Wetter und den Schutz des Hauses. Frauen betrachteten sie als ihre Schutzgöttin beim Gebären, Spinnen, Nähen, bei der Sorge für das Leben.

Symbolik und Bedeutung.

Der Name Mokosz wird mit dem altslawischen Wort mokry („nass“) in Verbindung gebracht. Ein Hinweis auf ihre Verbindung zum Wasser, zu Quellen, zu Tränen und zu fruchtbarem Regen.

Ihre Attribute sind klar und schlicht:

  • Wassergefäße
  • Spindel und Flachs
  • Brot und gewebte Tücher
  • weiche, feuchte Erde

Mokosz ist keine Göttin des Blitzlichts oder der Erleuchtung. Sie ist diejenige, die dich daran erinnert, dass es jeden Tag regnen muss, damit Leben gedeihen kann. Dass es Zeit braucht, bis aus dem Samenkorn eine Ähre wächst. Dass jedes Leben gewebt ist. Faden für Faden.

Wann und wie wurde sie verehrt?

Mokosz wurde im bäuerlichen Jahreskreis in vielen Formen geehrt. Der Freitag galt als ihr heiliger Tag. An diesem Tag wurde nicht gesponnen, genäht oder gewebt. Als Geste des Respekts gegenüber der Schicksalsspinnerin.

Ihre Verehrung verband sich mit den natürlichen Rhythmen des Lebens:

  • Im Frühling bat man sie, das Land wieder fruchtbar zu machen.
  • Im Sommer rief man sie um Regen und Schutz für die Felder an.
  • Im Herbst dankte man ihr für die Ernte.
  • Im Winter kehrte man zu ihr in der Stille zurück. Wie zur dunklen, nährenden Erde unter dem Schnee.

Ein zeitgemäßes Ritual für Mokosz.

Auch heute kannst du dich mit der Kraft dieser uralten Göttin verbinden – besonders dann, wenn du dich erden, klären oder in die Tiefe deines eigenen Lebensweges lauschen möchtest.

Der Vollmond im Oktober (nahe der Tag-und-Nacht-Gleiche oder der Erntezeit) eignet sich besonders gut für ein Ritual zu Ehren von Mokosz. Alternativ kannst du auch jeden Freitag nutzen, um dich mit ihr zu verbinden. Möglichst in der Nähe eines Flusses, Bachs oder Brunnens. Alternativ kannst du zu Hause eine Schale mit Wasser bereithalten.

Du brauchst:

  • Eine Kerze.
  • Eine Schale mit Wasser.
  • Ein kleines Stück Brot, etwas Milch oder ein gewebtes Tuch als Opfergabe.
  • Eine Spindel oder etwas Wolle, wenn du möchtest.

Ablauf:

  1. Wasche deine Hände rituell in der Wasserschale. Atme tief. Spüre deine Verbindung zur Erde.
  2. Zünde die Kerze an und sprich leise oder laut:
    „Mokosz, Mutter Erde, Wasserfrau, Spinnerin meines Schicksals – ich ehre dich.“
  3. Lege deine Opfergabe in die Nähe der Schale oder, wenn du draußen bist, in die Natur.
  4. Setze dich still hin. Lausche. Vielleicht taucht ein Bild, ein Wort oder ein Gefühl auf.
  5. Zum Abschluss: Danke Mokosz, lösche die Kerze, und kehre in Dankbarkeit zurück in den Alltag.

Warum Mokosz heute wichtig ist.

In einer Welt, in der das Tempo oft schneller ist als unser Herzschlag, erinnert Mokosz an etwas Uraltes: An Zyklen. An Geduld. An die Bedeutung der Verbindung mit der Erde. Und das nicht nur symbolisch, sondern körperlich. Wenn du dich jemals erschöpft, ausgetrocknet, unverbunden fühlst dann ruf Mokosz. Geh barfuß über den Boden. Wasch deine Hände in kaltem Wasser. Sprich mit dem Brot, das du backst. Du wirst sie spüren.

Mokosz lebt nicht in alten Büchern. Sie lebt dort, wo du sie zulässt: in deinen Händen, im Wasser, das du trinkst, in der Erde, die dich trägt.