Sinn leben.

Sinn leben.

Auf meiner Reise in die Metaebene sind mir Alfried Längle und Victor Frankl begegnet. Ihre Arbeit dreht(e) sich um Lebenssinn und Existenz. Sie betrachten den Begriff Sinn und entsprechende Mittel und Wege, die uns Menschen zur Verfügung stehen, um ihn zu erreichen.

Ist denn der Sinn des Lebens nicht eine Frage, der wir uns zu verschiedenen Zeiten zuwenden? Manches Mal in Verzweiflung, öfter noch mit kindlicher Neugier und Entdecker:innenlust.

Was ist also dieser Sinn und wie eng ist er mit unserem alltäglichen Leben verknüpft? Längle und Frankl verstehen Sinn als eine spezifische Weise, die jeweilige Situation zu gestalten. Er ist für sie kein abstraktes, übergeordnetes geistiges Konzept, sondern etwas, das direkt im Hier und Jetzt erfahrbar und umsetzbar ist.

„Der Weg nach vorne ist nicht festgelegt; auf die Zukunft hin ist alles offen.“*

Wir betrachten die implizite Grundeigenschaft des Lebens, welches folglich niemals fertig ist. Entgegen unserer Hoffnung werden wir nie dauerhaft angekommen sein und bewegen uns fortlaufend in wechselnden Zuständen.

Ob wir uns auf dieser Reise nun für unfrei halten oder das Gefühl haben, entscheidend Einfluss auf die Umstände nehmen zu können, bleibt uns freigestellt. Wir können also darauf warten, dass uns unsere Wünsche als Geschenk des Lebens erfüllt werden. Oder direkt in eine regelrechte Forderung ans Leben übergehen. Wünsche und Forderungen stellen dann etwas dar, das wir erhalten oder vor Bedrohung schützen wollen. Etwas, das von Außen dazugetan werden oder aufrechterhalten bleiben soll.

Oder im Gegenzug den „existenziellen Weg“* gehen. Dieser ist unabhängig davon, bestimmte Zustände zu erreichen zu müssen, sondern folgt unserer inneren Ausrichtung. Wir erleben Glück und der Sicherheit durch unsere Gestaltungsmacht innerhalb des Vorhandenen.

Der Aspekt des Mangels entfällt und es eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten, die aus der Fülle der Lage entstehen können. Eine Form der Kreativität die dem schöpferischen Prinzip folgt. Hier agieren wir folglich gelassener mit dem, was sich uns als Herausforderung präsentiert, weil wir nicht danach schauen, was fehlt, sonder was uns jetzt gegeben und möglich ist.

„So unberechenbar und unvorhersehbar das Leben auch ist, es hält für jeden Fall und jede Situation Sinn bereit.“*

Garantiert ein Handeln mit Sinn unseren Erfolg?

Betrachten wir Erfolg einmal als ein Ergebnis aus Bemühen und Glück. Also als etwas, das einerseits mit unserem Handeln zu tun hat und andererseits mit einem Zutun aus einer Quelle jenseits von uns.

Erfolg sieht nach Längle für uns alle ganz unterschiedlich aus, weil wir die jeweils angestrebten Ziele unterschiedlich bewerten. Außerdem markiert Erfolg den Bereich unseres Handelns, der einerseits zielgerichtet und von uns bewusst angebahnt wird, und andererseits einer „Portion Glück“ (außerhalb unseres Einflusses) begegnen muss.

Der eingetretene Erfolg ist demnach also nicht gänzlich das Ergebnis menschlicher Leistung allein. Daher dürfen wir mal kurz durchatmen. Denn Misserfolg ist dann ebenfalls nicht durch unser menschliches „Versagen“ zu verantworten. Wenn wir uns unseren Werten aber entsprechend intensiv um einen Erfolg bemühen und dadurch Übung und Erfahrung sammeln, können wir die Bedeutsamkeit des Glücks in dieser Gleichung etwas mildern.

„Das Bemühen erhöht die Chance für das Eintreten des Erfolges (…), aber die Reichweite unserer schaffenden Hände bedarf der Verlängerung durch die Gunst der Stunde, um das Erfolgsziel zu erreichen.“*

Beinahe spirituell kommt der Einwand, dass es uns verborgen bleibt, wie und warum Glück unserem Handeln begegnet. Ein manipulatives Eingreifen in diesen Prozess jedoch, könne den gewünschten Effekt sogar noch stärker stören.*

Das echte Erfolgskonzept läge darin, sich auf angemessenes Bemühen zu beschränken und sich nicht vom Erfolg abhängig zu machen.* Wenn wir unsere Aufmerksamkeit und Energie auf das richten, was wir tatsächlich in der gegebenen Situation bewirken können (im Einklang mit unseren inneren Werten) verliert der Erfolg, den wir nicht vollständig kontrollieren können, an Bedeutung.

Stattdessen finden wir den Sinn in der konsequenten Ausrichtung unseres Handelns auf das, was uns wichtig ist, im bewussten Einsatz für einen Wert, der uns trägt und uns Orientierung gibt. Und zwar unabhängig vom unmittelbaren Ergebnis. Wir engagieren uns dann für etwas, das uns wichtig ist und erleben allein darin schon eine Sinnerfüllung, ganz unabhängig davon, welche Ergebnisse sich zeigen.

Wenn im Gegenzug unsere Handlungsmotivation darauf gründet, erfolgreich sein zu wollen, riskieren wir eine fundamentale Frustration bei Ausbleiben des Erfolgs. Und verlieren womöglich noch den Bezug zu unserem Wozu, und damit nimmt die Verbundenheit zur Zielsetzung im Sinne unserer Werte ab.

Da nach wie vor vieles in den Einflüssen von außen liegt, kann sich eine Verunsicherung breit machen, je verzweifelter wir den Erfolg erreichen oder sichern wollen. Je mehr wir Erfolg erzwingen wollen, umso stärker der Einsatz, umso größer die wahrgenommene Bedrohung durch die Möglichkeit des Scheiterns. Und umgekehrt. Ein Gefühl des Ausgeliefertseins kann sich ausbreiten. Erfolgszwang und -sucht hinterlassen dann nicht selten ihre schädlichen Spuren in der Gesundheit.

Wir tun also besser daran, nichts erzwingen zu wollen.

„Für den Sinn zählt das Sicheinlassen auf etwas, oder auf jemanden, um seines Wertes wegen, nicht aber um des unmittelbaren, eigenen Erfolges willen. Der folgt schon, keine Sorge. Sich darum nicht sonderlich zu sorgen, bringt heilsame Gelassenheit mit sich…“*

(*Alfried Längle, Sinnvoll Leben.)

Uns den den Anforderungen unserer Gegenwart zu stellen bedeutet dann, aktiv und bewusst in der jeweils gegebenen Situation zu handeln, ohne auf die Herstellung idealer Umstände zu warten. Wir nutzen dann die vorhandenen Möglichkeiten. Unsere innere Ausrichtung auf einen höheren, inneren Wert erlaubt es uns, die Verbundenheit mit uns selbst und zu anderen zu spüren und Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen.

Der Ausgang der Dinge liegt eben zum Teil außerhalb unseres Einflusses. Verbunden mit unseren Werte erleben wir Klarheit und Gelassenheit. Durch das Vertrauen in den natürlichen Lauf des Lebens bleiben wir frei vom ständigen Erfolgsdruck und können spielerischer auf die Effekte unserer Bemühungen reagieren.

Ich frage mich, welche Werte und Möglichkeiten in meinem Leben heute nach meinem bewussten Einsatz rufen, und zwar unabhängig davon, welche Ergebnisse ich mir wünschen würde.