Geist des Heils.

Pfingsten und der Geist des Heils.

Wenn der Heilige Geist barfuß durch den Wald tanzt.

Alle Jahre wieder fällt Pfingsten vom Himmel. Und während sich die einen schlicht über das lange Wochenende freuen, blicken andere, sagen wir mal die etwas empfindsameren Naturwesen unter uns, ehrfürchtig gen Himmel und flüstern:

„Es ist wieder soweit. Der Schleier ist dünn.“

Denn Pfingsten ist nicht nur das Fest, bei dem laut Apostelgeschichte plötzlich alle in Zungen redeten. Es ist auch ein uraltes, still leuchtendes Tor im Jahreskreis. Eines jener kostbaren Zeitfenster, in denen das Unsichtbare näher rückt. Ein Moment der Durchlässigkeit, in dem die geistigen Welten sich auf leisen Sohlen zeigen.

Heiliger Geist oder Geist des Heils?

Es heißt: Die Jünger saßen beisammen, als ein Brausen vom Himmel kam und Feuerzungen auf sie niederfielen. Sie begannen zu sprechen. In Sprachen, die sie nie gelernt hatten. Ein Moment göttlicher Übertragung.

Doch vielleicht war das Pfingstwunder nie nur ein theologisches Megaevent, sondern ein kosmischer Impuls. Ein Aufleuchten geistiger Erinnerung inmitten menschlicher Geschichte. Ein kollektives Erwachen der Seele.

Denn in vielen mystischen Lehren, sei es in der Hermetik, in der Kabbala oder in der Anthroposophie, ist der Heilige Geist ein feinstoffliches Bewusstseinsfeld, das den Menschen innerlich entzündet. Nicht mit Schwefel und Pech, sondern mit Erkenntnis, Mitgefühl und Klarheit. Ein Licht in der Tiefe.

Der Schleier wird dünn. Ein kosmologischer Blick.

Kosmisch betrachtet fällt Pfingsten in eine Übergangszeit: Der Frühling erreicht seine Blüte, bevor der Sommer übernimmt. Die Erde steht in Saft und Kraft.

Pfingsten fällt meist in die Zeit der Zwillinge. Ein Luftzeichen, das für Kommunikation, Bewegung, Sprache und Erkenntnis steht. Kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt das Sprechen heilig wird. Die Worte werden leicht, durchlässig, beseelt.

Es ist eine Zeit für:
Eingebungen und klare Träume.
Gespräche mit dem Unsichtbaren.
Schreiben aus der Tiefe.
Lauschen, bis auch das Schweigen zu sprechen beginnt.

Von Wurzeln und Himmeln. Die Bräuche und das Erinnern.

Die volkstümlichen, oft heidnischen Bräuche rund um Pfingsten sprechen eine eigene Sprache.

In Süddeutschland zieht der „Pfingstlümmel“ durch die Dörfer – ein Mensch, gehüllt in Blätter und Zweige, der das Leben und den Segen der Natur verkörpert. In ländlichen Gegenden wird das Vieh mit Blumen und Liedern geweiht, damit es gedeiht.

In manchen Überlieferungen heißt es, dass in der Pfingstnacht die Alten Göttinnen sichtbar werden. Tanzend im Nebel, wenn man zur rechten Stunde schweigend einen Hügel betritt.

Während in der christlichen Überlieferung der Geist herabsteigt, steigt in den alten Bräuchen die Erde empor. Beide Bewegungen begegnen sich. Mitten im Menschen. In uns.

Das große Erinnern.

In jenem geheimen Pfingstmoment, der leise zwischen den Herzen geschieht, erkennen wir einander wieder. Nicht als Rollen, nicht als Namen, sondern als Flammen desselben Feuers.

Der Geist, der uns berührt, fließt nicht nur von oben herab, sondern auch von Mensch zu Mensch. Von Blick zu Blick. Von Wort zu Wort. Es ist das große Erinnern daran, dass wir nicht getrennt sind. Dass jeder Atemzug ein Teil des gemeinsamen Liedes ist, das schon immer durch die Menschheit klingt.

Ein Funke für jede Seele.

Die mystische Dimension von Pfingsten ist vielleicht die wichtigste. Nicht mehr der Priester, die Institution oder der Prophet sprechen im Namen des Göttlichen. Sondern wir selbst werden zum Gefäß des Lichts.

Jede Seele strahlt ihren Funken. Jede Stimme wird Teil des einen Liedes. Wir sind nicht mehr Zuschauerinnen des Mysteriums. wir sind das Mysterium, das atmet.

Pfingsten erinnert uns. Wir sind nicht allein. Wir sind nicht getrennt. Wir sind Teil eines großen Erwachens.

Ein Vorschlag für dieses Pfingsten.

Gehe barfuß, irgendwohin, wo die Erde dich trägt. Zünde eine Kerze an, auch wenn der Tag hell ist. Sprich ein stilles Gebet. Oder ein wildes Gedicht. Lausche dem Wind. Lausche dir selbst. Lausche dem, was durch dich fließt.

Und wenn du willst: Tanze. Denn wer weiß. Möglicherweise tanzt der Heilige Geist gerade mit dir.