Die Durchlässigkeit des Seins.

Die Durchlässigkeit des Seins.

Heute präsentiert sich das stille Durchdringen der Grenze zwischen dem Greifbaren und dem Geistigen. Die heutige Übung öffnet uns einen Raum, in dem das Formlose nicht länger eine Projektion des Unbekannten ist, sondern zum Boten der inneren Durchlässigkeit wird.

Tag 26. Der Raum des Nicht-Wissens.

Impuls: Kann ich einen Moment lang einfach nicht wissen und dennoch ruhig bleiben?
Aufgabe: Sitze 10 Minuten still, ganz ohne Ziel. Beobachte, was auftaucht. Beantworte dann im Anschluss: Was macht das Nicht-Wissen mit mir?
Ergänzung: Finde ein Symbol in deinem Setting, greife es inhaltlich auf und deute es dem Kontext entsprechend.

Still sitzen ohne Ziel. Genau mein Ding. Nicht. Aber irgendwie habe ich es geschafft. Wobei ich in den letzten vier Minuten immer wieder dachte: Die zehn Minuten sind schon ewig zu ende, der Timer ist nur nicht richtig an gewesen. Aber doch, das war er und ich habe es geschafft, zehn Minuten lang mit geschlossenen Augen jenseits meines Meditationssettings zu Hause diese Stille auszuhalten. Und zwar dem Schaufenster zugewandt, mit dem Rücken zur Bürogemeinschaft.

Als erstes sind meine Gedanken hin zu den To-dos und Möglichkeiten meiner Arbeit oder für den weiteren Tagesablauf gewandert. Ganz selbstverständlich. Als mir das auffiel, habe ich schnell begriffen, wie mein kleiner Verstand in dieser Unendlichkeit des Nichts nach kleinen Orientierungsankern gesucht hat. Ganz selbstverständlich ist er dahin, wo er sich auskennt. Wo dieses Nichts eben gefüllt ist mit etwas. Aber aus dieser Erkenntnis heraus ist es mir gelungen, den Kreis zu schließen. Denn ausgehend von diesem winzigen Etwas, wurde die Unendlichkeit des Nicht-Wissens doch wieder greifbar in ihrer Unvorstellbarkeit.

Als ich dieser Ahnung gewahr wurde, hat sich im Gegenzug mein inneres gemeldet. Was sich zuerst ausnahm wie eine kleine Beklemmung im Herzraum, entpuppte sich als eine Erinnerung daran, dass in mir ein Aspekt schlummert, der dieser „äußeren“ Unendlichkeit in nichts nachsteht. Dieses Momentum währte allerdings nur kurz. Und ich hoffe, dass ich bald dorthin zurück finde.
Die Durchlässigkeit des Seins.

Ergänzende Symbolik. Das Gespenst.

Das Gespenst ist ein vielschichtiges Symbol. In der Mystik steht es oft für das Unfassbare, das zwischen den Welten wandelt. Nicht ganz Materie, nicht ganz Geist. Es ist die Erscheinung des Unsichtbaren, der Hauch des Vergangenen, das sich in der Gegenwart zeigt.

Im vorliegenden Kontext wird das Gespenst zu einem Sinnbild für das Nicht-Greifbare im Inneren, das sich nur zeigt, wenn der Geist still wird. Es repräsentiert den inneren Aspekt, der sich jenseits des Verstandes bewegt. Dort, wo das Unbewusste und das Spirituelle ineinander übergehen.

Das Gespenst ist keine Bedrohung, sondern eine Erinnerung daran, dass auch das Unsichtbare Teil der Wirklichkeit ist, dass wir nicht alles benennen müssen, um es zu erfahren und dass Stille manchmal der einzige Raum ist, in dem das Feine, das Unfassbare, sich zeigen kann.

In dieser Erfahrung wird es fast zu einem Spiegel der eigenen Wahrnehmung. Ein zarter Hinweis darauf, dass das „Gespenst“ vielleicht gar nicht außerhalb existiert, sondern die Form ist, die das Innere annimmt, wenn wir uns dem Nicht-Wissen öffnen. So wird es zum Symbol der inneren Präsenz in der Leere. Der leise atmende Beweis, dass wir im Nichts dennoch sind.

Wenn das Gespenst ein Teil meines eigenen Bewusstseins ist, welcher Aspekt von mir möchte durch diese Erscheinung sichtbar werden?

Bei dieser Frage bekomme ich ein Gefühl der Beweglichkeit und Agilität. Es ist, als würde das, was den Alltag sonst eher schwerfällig und mühsam macht, plötzlich aufgehoben. Denn jenseits, oder fast besser noch: innerhalb dieser festen Strukturen gibt es eine innere Durchlässigkeit, die sich von keiner Barriere aufhalten lassen muss. Unless! Ich wählte es.

Kann ich das Unbekannte in mir, welches formlos und unbeweisbar ist, als Teil meiner Ganzheit willkommen heißen?

Das wäre wohl der Teil in mir, von dem ich nichts weiß. Das, was sich vielleicht erst bildet, wenn seine Zeit gekommen ist, sich zu zeigen. Das erzeugt einerseits eine freudvolle Spannung, weil es bedeutet, dass ich mich in Zukunft (wieder) überraschen würde. 

Meine Gedanken verweilen auf dem Aspekt der Formlosigkeit. Unbeweisbar. Das ist wie ein Reset. Etwas, das in mir ist und von sonst niemandem bezeugt werden kann. Als Ennea-Typ 2 eine spannungsvolle Vorstellung.

Einerseits erzeugt es eine Trennung zwischen mir und Allem anderen. Und im selben Moment ergibt sich daraus eine Verbundenheit, denn dieser Formlose Aspekt ist es, in dem sich das Tor zu allem anderen eröffnet.

Das Gespenst offenbart sich uns nicht als fremde Erscheinung, sondern als Ausdruck der eigenen Beweglichkeit im Inneren. Es ist jener Teil des Bewusstseins, der sich keiner Form unterwirft und gerade darin lebendig ist.
Wo der Verstand Begrenzung wahrnimmt, erkennt das Geistige die Möglichkeit des Durchdringens und Erweiterns.

In dem Moment, in dem wir uns dem Formlosen zuwenden, wird die Schwere des alltäglichen Seins leichter. Denn was keinen Beweis braucht, muss sich auch nicht verteidigen. Es ist einfach und erlaubt uns, ebenso einfach zu sein.

Der formlos-stille Aspekt ist also kein Nichts, sondern der Raum, aus dem alles entsteht. Er ist das Tor zur Verbundenheit, wo wir uns selbst als Teil des unendlichen Bewusstseins erkennen, das sich in immer neuen Formen ausdrückt, und zugleich in keiner gefangen bleibt.