Orientiert am Optimum
In der Gruppenübung lerne ich die Delphinstrategie kennen. Diese Methode stammt von den Autoren Dudley Lynch und Paul Kordis. Ganz vereinfacht gesagt, empfehlen sie im Kontext der Managementlehre, sich ein Beispiel am Verhalten von Delfinen zu nehmen, um den Ablauf von Veränderungsprozessen bzw. das Erreichen von (übergeordneten) Zielen zu begünstigen.
Das Verhalten eines Delfins zeichnet sich dieser Methode nach dadurch aus, dass es sich an dem orientiert, was aktuell gut funktioniert. Ergänzt durch eine entsprechende Offenheit dafür, das Handeln anzupassen, wenn gewünschte Entwicklungen ausbleiben.
Also: führt das bisherige Verhalten trotz vermehrter Anstrengung nicht zum gewünschten Ergebnis, wird neues Verhalten ausprobiert. Flexibel und spielerisch. Individuell, aber kooperativ. Immer orientiert am Wohle des gesamten sozialen Systems.
Was bedeutet das für mich und mein Rollengeflecht und insbesondere als mäßig erfolgreiche Gründerin?
Der Mensch als Gewohnheitstier*
Ich habe als selbstständige Macherin einen Großteil der mir vertrauten Handlungsweisen bereits ausgeschöpft. Es gibt dabei ein Feld, namentlich das Social-Media-Management, in dem ich noch ins Machen kommen kann. Erstens, weil ich mein diesbezügliches Mindset korrigieren konnte und zweitens, weil ich dort die Menschen erreichen kann, mit denen ich gern meine Magie wirken möchte.
*Gewohnheiten sind alle möglichen Verhaltensweisen, die ohne großes Nachdenken und nahezu automatisiert ausgeführt werden. Sie sind nützlich, da sie unser Gehirn entlasten. Sie werden durch Wiederholungen zunehmend gestärkt. Gewohnheit: Die erlernte Reaktionstendenz einer Person, in einer bestimmten Situation eine bestimmte automatische Reaktion (meist: Handlung) zu zeigen. Das Lernen der Situations-Reaktions-Verknüpfung («wenn-dann»-Verknüpfung) erfolgt durch wiederholtes Ausführen der Reaktion. (…) Bei Bestehen von Gewohnheiten wird die Reaktion in der spezifischen Situation automatisch, d. h. ohne gezieltes Denken, ausgelöst. Dies führt zu kogitiver. Entlastung, da die Auslösung der Reaktion keine bewusste Entscheidung (Intentionsbildung) mehr benötigt.
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/gewohnheit
Ich erkenne: Ist auch dieser eine Bereich ausreichend bespielt, ohne dass meine Kapazitäten vollends ausgelastet sind, ist es an der Reihe, in noch unvertraute Rollen zu schlüpfen. Offen und spielerisch. Delfindynamisch.
Erstmal macht sich Erleichterung breit. Meine Rolle als Macherin ist über den plötzlichen Zweifel erhaben und es gibt eine Art vertrautes Spielfeld, in dem ich mich noch etwas austoben kann. Somit gibt es noch keinen Grund, mich jetzt zwangsläufig in vielleicht sogar arg herausfordernde Rollen zu zwängen, um neue Entwicklungen anzuregen.
Denken, Handeln, Fühlen
Der Ansatz, über eine neue und bewusste Handlung neues Erleben zu kreieren, ist mir aus dem Coaching bekannt. Dabei formulieren wir im Verlauf zunächst einen „Ich bin..“-Satz, der neue Attribute in unser Selbstbild und damit neue Erfahrungen in der Realität einflechten soll. Haben wir diese neuen Attribute bestimmt, die eine gewisse Sehnsucht widerspiegeln, suchen wir Aufgaben und Handlungen, die unserer Meinung nach diesen neuen Eigenschaften entsprechen. Führen wir diese Handlungen in der entsprechenden Absicht wiederholt aus, erlernen wir gewissermaßen, so und so zu sein und uns entsprechend zu fühlen.
Ein fiktives Beispiel:
Eine detailverliebte Frau, die die Sicherheit schätzt und auf alles vorbereitet sein möchte, sehnt sich eigentlich danach, auch etwas freier und ungezwungener zu leben. Sie möchte sich eine positivere Auffassung gestalten und weniger angstvoll durchs Leben gehen. Ihr ursprünglicher Identitätskern mag sich um eine Formulierung wie „Ich bin eine ohnmächtige Frau“ herum angeordnet haben. Ihre Erweiterung* könnte womöglich lauten: „Ich bin eine gesunde und fröhliche Frau.“ Um das erlebbar zu machen, könnte sie sich zum Beispiel vornehmen, mindestens einmal pro Woche mit Muße im Biomarkt gesund einzukaufen und ausgiebig für sich zu kochen. Sie geht beispielsweise gern mit Freundinnen aus, nimmt sich aber selten Zeit dafür. Sie könnte also den Aspekt der Fröhlichkeit durch regelmäßige gemeinsame Kinobesuche ausdrücken. Oder sie kombiniert beides und lädt sich Besucher:innen für gemeinsames Kochen und Essen ein.
*Obacht: Das Gegenteil von dem ursprünglichen Satz reicht hier nicht aus. Sich nun darin zu üben, eine machvollte Frau zu sein, würde sie weiterhin in der gleichen Sphäre aktiv sein lassen. Sie würde sich weiterhin zwischen Beweis und Gegenbeweis für die ursprüngliche Annahme (ohnmächtig zu sein), bewegen und kein neues Erleben kreieren.
Der Wortlaut der Erweiterung muss für Außenstehende auch gar nicht eins zu eins nachvollziehbar und treffsicher sein. Die Betroffenen wählen das, was für sie plausibel ist. Und arbeiten immer mit dem, was für sie die gewünschten Ergebnisse erzielt.
Mein Selbstbild entsprach immer dem einer Macherin. Energiegeladen, tatkräftig, ständig aktiv. In meiner Selbstständigkeit hat meine gewohnte Macherinnen-Energie aber irgendwann nicht mehr viel bewirken konnte. Ich hatte bereits alles getan, was mir vertraut war: Ich habe konzipiert, umgesetzt, optimiert – alles nach dem bewährten Muster der Macherin und das in Bereichen, die mir geläufig sind.
Der Tatendrang, der mich früher immer angetrieben hat, verlor aber irgendwann seine Kraft. Ich begann zu stocken. Eine Decke des Zweifels breitete sich kurzfristig aus: Bin ich wirklich die Macherin, die ich immer geglaubt habe zu sein? Oder habe ich mich in mir selbst getäuscht?
Aber nein! Ich hatte nicht „aufgehört“, Macherin zu sein. Ich bin einfach an einen Punkt gekommen, an dem meine gewohnte Herangehensweise nicht mehr ausreichte. Alles aus meinem vertrauten Macher:innen-Repertoire war ausgeschöpft. Und jetzt, wo ich erkenne, dass die gewohnten Mechanismen nicht mehr greifen, wird klar: Um weiterzukommen, muss ich mich auf etwas Neues einlassen. Spielerisch, vor allem mit Spaß und Freude.
Die Geburtsstunde der Delfin-Dynamik.
Das, wonach ich schon lange gesucht habe, ohne es zu wissen. Eine Methode, mit der ich spielerisch neue Entwicklungen begünstigen kann. In mir entsteht die Vision einer strukturierten Herangehensweise. Neues Erleben, ganz ungezwungen, experimentell, spielerisch. Ich bekomme eine Idee, wie ich mich mit Leichtigkeit und Flexibilität auf neue, unerforschte Wege einlassen kann.
Wie wäre es, ein bisschen wie der Delfin zu sein? Spielerisch immer wieder neue Richtungen zu wählen, ohne mich auf einen einzelnen Kurs festzulegen? Wenn ich neues wage, sobald ich erkenne, dass ein eingeschlagener Weg mit dem bisherigen Laufmuster mich nicht weiterführt?
Hier ist sie, die Einladung, meine eigenen Handlungsmuster gezielt zu lockern. Was geschieht, wenn ich diesem Prozess mehr Raum gebe und das Vertrauen in den zielführenden Aspekt des Unbekannten stärke?
Wenn ich mich jetzt auf neue „Rollenmuster“ bzw. auf dazugehörige stereotype Verhaltensweisen einlasse, erweitere ich meinen Handlungsspielraum systematisch und doch spielerisch.
Die Delfin-Dynamik ist der Schlüssel zu meiner Weiterentwicklung. Wie ein neuer Zugang zur Leichtigkeit und Lebendigkeit, die mir das Leben so schmackhaft machen.