Der Social-Media-Delfin

Der Social-Media-Delfin

Der Social-Media-Delfin 2

Teamwork und der Stabilitätsfaktor

Die Gruppenleiterin erklärt uns, wie wichtig es ist, dass in einem Team alle vier, nämlich Macher:innen, Bewahrer:innen, Kontrolleure und Kontrolleurinnen sowie Visionärinnen und Visionäre, vorhanden sein müssen. Und zwar alle ähnlich stark vertreten. Sie zieht das Bild heran, wie ein Tisch nur stabil stehen kann, wenn alle vier Tischbeine gleich lang sind. Fehlt ein Tischbein oder ist es länger oder kürzer als die anderen, bringt es ihn zum Wackeln. Fehlen sie alle, knallt die Tischplatte auf den Boden. Unterfangen gescheitert. Trivial gezeichnet ist das Bild unmissverständlich.

Selbst, ständig und stockend

Wohin bringt mich das in meinem Solopreneurinnentum*? Eine One-Woman-Show. Die nicht mal groß ins Machen kommt. Trotz Identifikation als Macherin. Die sich einfach hinsetzt und darauf wartet, dass Menschen sie Kraft ihres eigenen siebten Sinnes von selbst finden?

*ja ich weiß, das ist kein Wort. 😉

Naja okay, so gar nicht nix habe ich wohl gemacht. Mit dem Abschluss meiner Coaching Ausbildung habe ich für meine Tätigkeit Kurse konzipiert und Begleitmaterial erstellt. Beides getestet, weiterentwickelt und erneut geprüft und schließlich finalisiert. Ich habe meine Webseite konzipiert und selbst umgesetzt. Letzteres sogar zwei Mal, einfach weil es ging. Die dritte Variante ist in Planung. Ich habe Inhalte für Flyer zusammengetragen. Diese wurden gestaltet und produziert. Auch habe ich sie vereinzelt in Umlauf gebracht. Ich habe sogar einen Ansatz entwickelt, der sich gezielt an Unternehmen und Organisationen wendet, um durch die Arbeit an persönlichen Themen der Mitarbeitenden positive Effekte auf die Arbeitswelt zu erzielen.

Wir können festhalten: Ich habe getan, was mir bekannt ist. Ich habe getan, was mir durch Gewohnheit halbwegs leicht fällt. Ich kann Konzepte, ich kann Websites, ich kann Texte und ich kann Branding. So weit so gut. Das kenne ich aus meinen alten Jobs. Damit habe ich früher mein Geld verdient.

So ganz tatenlos war ich also nicht. Aber das ist so richtig krass weit weg vom Duracell-Hasen. Das war eher so Spaziergang mit Rollator und nicht die gewohnte Reisegeschwindigkeit mit 9,13 millionenfacher Lichtgeschwindigkeit im Millennium Falcon. Und irgendwann war der Schub ja auch nahezu versiegt.

Also! Wieso habe ich nicht durchgepowert? Das lässt mir keine Ruhe.

Dynamikdrang und Durchbruch

In der Gruppenübung lerne ich noch mehr. Die Dozentin erklärt, wie wichtig es ist, zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen zu wechseln, wenn das Team von sich aus nicht mit allen Typen besetzt ist. Sie betont, wie wichtig es besonders in der Selbstständigkeit ist, zwangsläufig in alle Rollen zu gehen. Irgendwie klar, mein Team, das bin ich.

Puuh, soll ich jetzt etwa die Kontrolleurin mimen? Klein in klein? Von einer Tabelle in die nächste hüpfen? Mein Innerstes wird bei dieser Vorstellung regelrecht krisselig. Dieser Gedanke ist so verstörend, dass ich erstmal kritisch betrachten möchte, was mir als Macherin in vertrautem Rahmen noch möglich wäre, bevor ich diesen persönlichen Albtraum auf mich nehme. Gibt es etwas, das ich gut kann und bisher versäumt oder vermieden habe?

Ein Teufelskreis aus Widerstand und Versuchung

Da gibt es wohl noch etwas, mit dem ich mich beruflich viel befasst habe. Anfangs noch etwas aufgeregt und ahnungslos, als es ganz neu war. Später gehetzt und unzufrieden, als klar war, wie schnelllebig und wenig nachhaltig die einzelnen Tätigkeiten sind. Und schließlich nahezu gar nicht mehr, als ich meine Anstellung in der Öffentlichkeitsarbeit aufgegeben habe. Social-Media-Management.

Allein der Begriff wirkt auf mich hämisch. Als Unternehmen magst du dort vielleicht deinen Markenauftritt managen. Das kann man an dieser Stelle einfach kurz stehenlassen. Aber ansonsten, so aus User Sicht, sind es ja eher die sozialen Medien, die dich managen. Wir kennen es alle, kurz das Telefon in die Hand nehmen, um nach der Uhrzeit zu sehen und dann, 35 Minuten später, erwachst du aus der Tiktok- oder Insta-Trance. Wenn du Glück hast.

Aufmerksame Leser:innen erkennen meinen Widerstand. Hier habe ich als Macherin mir bekanntes Terrain gemieden. Aber bevor ich jetzt aus der Not heraus in die Rolle der Kontrolleurin springe, wäge ich ab.

Denken wir mal an Instagram. Wenn ich dort abtauche, was passiert da? Es liegt auf der Hand: Zeit plätschert ungenutzt dahin. Da meldet sich die Effizienzbeauftragte direkt zu Wort. Ich tappe fast jedes Mal in die Falle und muss Willenskraft aufbringen, um wieder auszusteigen. Vorbei sind die guten alten Zeiten, als die Social-Wall ein natürliches Ende hatte. Heute scrollst und scrollst du ohne Unterlass. Und dann gibt es noch diesen entscheidenden Effekt: Soziale Vergleiche. Inzwischen gibt es auch Studien, die sich damit befassen, wie die Nutzung von Social Media soziale Vergleiche begünstigen und damit zu Unzufriedenheit und Stress führen kann. Alles irgendwie ein Abturner.

Gute Gründe also, mein Herzensprojekt gerade dort nicht zu teilen. Aber wie gesagt, mir droht die kleinteilige Arbeit einer Kontrolleurin. Und bevor ich damit anfange, versuche ich, die Macherin in mir für Social Media zu begeistern, und bessere Gründe dafür zu finden.

Vom passiven Konsum zur aktiven Kreation

Was ich bei wohlwollender Betrachtung der sozialen Medien finde, ist der eigentliche Antrieb, aus welchem ich schon mal bewusst in die App gehe. Auch wenn es gelegentlich stumpfsinnig ist, ist es das nicht ausschließlich. Der Algorithmus kennt mich. Ich bekomme Inspirationen, ob für die Handarbeit, das Kochen und Backen oder meine persönlichen Entwicklungsprozesse. Ich bin in dem Moment selbst nicht produktiv, sammle aber Ideen, die sich früher oder später ihren Weg in meine Welt bahnen. Oder auch nicht. Manchmal kann sich auch eine Macherin erlauben, einfach passiv der Handlung Anderer beizuwohnen. 😉

In diesem Licht betrachtet wird mein Blick auf die sozialen Medien etwas milder. Wenn ich dort aktiv werde, dann muss ich ja nicht zwingend aggressives und lebloses Marketing machen. Ich kann mit Freude teilen, was mich beschäftigt. Und darf trotzdem kritisch bleiben, was den Umfang meiner investierten Zeit betrifft. Denn Hängenbleiben ist ein Leichtes. Diese Gefahr, sie bleibt.

Aber hier bietet sich mir eine Möglichkeit, mehr Menschen zu erreichen. Denn darum geht es ja. Ich muss dafür sorgen, dass Leute von mir wissen, bevor sie ihren Weg zu mir und etwas Erleichterung finden können. Denn nur ums Machen geht es schon lange nicht mehr. Dann hätte ich auch weiterhin in irgendeiner Organisation in der Öffentlichkeitsarbeit bleiben können. Aber genau das wollte ich ja nicht. Was ich wollte, war ein Umfeld zu kreieren, in dem Menschen sich selbst etwas näher kommen können.

Bevor ich mich selbst verliere, nochmal zum Mitschreiben: Ich bin eine Macherin. Auch wenn mein Handlungsfluss zuletzt ungewohnt träge wurde. Und das ausgerechnet bei einem Herzensthema. Maßnahmen, die mir aus Vertrautheit mühelos von der Hand gehen, habe ich ausgeführt. Waren diese Aufgaben erledigt, war auch mein Handlungsfluss versiegt. Um an dieser Stelle weiterzukommen, kann ich entweder ein vertrautes, aber gemiedenes Aufgabenfeld angehen, oder muss in neue Rollen schlüpfen, wenn ich will, dass mein Vorhaben sich weiterentwickelt. Ich lerne: Handlungswut ist nicht zwingend ein Ausdruck von Hingabe. Letztere kann bei mir auch subtilere Ausdrucksformen finden.

Und auch wenn ich die Einladung auf die Kontrolleurinnen-Position schon erhalten und zur Kenntnis genommen habe, habe ich doch noch etwas Zeit gewonnen. Die Rettung liefert der Dynamik-Delfin.

marta