Der Duracell-Delfin

  1. Ich sitze in einer Gruppenübung. Es geht um vier Grundtypen, die wir im Zusammenhang mit dem Gelingen eines Projektes genauer betrachten: Macher:innen, Bewahrer:innen, Kontrolleure und Kontrolleurinnen sowie Visionärinnen und Visionäre. Wir teilen uns in die vier Bereiche auf und setzen uns in der Rolle zusammen, mit der wir uns identifizieren.

Wir befragen uns gegenseitig, was wir an der Arbeitsweise und Art der jeweiligen Rolle schätzen, wie sie uns bei der Arbeit herausfordert und was wir uns von ihr wünschen, um das Zusammenspiel zu optimieren. Letztlich darf sich jede Typen-Gruppe auch dazu äußern, was ihre positiven Absichten hinter ihren Verhaltensweisen sind. 

Ich mache diese Übung schon zum zweiten Mal und bin mir bei der Wahl meiner Position nach wir vor sicher. Macherin, gar kein Zweifel. 

Die Ärmel sind oben, noch bevor die Aufgabe klar ist. Überlegt wird on the fly. Anderen die Tätigkeit erklären? Das kostet unnötig Zeit. Die sparen wir lieber ein, und machen es fix selbst fertig. Zum Wohle der Gruppe. Ganz klar. Andere sparen Zeit, in dem sie vorher einen Plan machen. Wir, in dem wir die Arbeit einfach wegschaffen. Da sind wir Macherinnen in der Gruppe uns einig. Easy peasy, kein Problem.

Dabei sprechen wir selten laut aus, dass wir mit der gewonnenen Zeit einfach noch mehr schaffen wollen. Für die Gemeinschaft, für das Projekt. So kommt es, dass wir nicht selten agieren wie ein Duracell-Hase. Unermüdlich für die Sache. 

Das überfordert manche. Um nicht zu sagen viele. Und dabei ist es egal, ob es um die Arbeit im Büro oder in der Gastronomie bzw. im Privaten um die Renovierung der Küche oder das Packen für den Urlaub geht. 

Der Elan einer Person, die in der Rolle der Macher:in zu Hause ist, ist für manche nur schwer auszuhalten. Allein schon zuzusehen, wie dieses Powerhouse sich selbst unermüdlich antreibt macht Beklemmung. Die Messlatte für das gemeinsame Pensum wird dadurch sehr hochgelegt. Aber nicht alle haben diesen Tatendrang, diese aktive Hingabe. Manche bevorzugen das Abwägen und Denken, bevor sie in Aktion treten. Jede Gruppe leistet auf ihre eigene Art und Weise etwas Wichtiges für das Gelingen eines Vorhabens.

Hingabe, das Wort fällt und macht etwas mit mir. Das macht mich nachdenklich. Ich bin seit fast zwei Jahren selbstständig. Nach vielen Jahren habe ich mir meinen Traum erfüllt. Ich habe den Absprung aus dem Office-Leben geschafft. Ich bin dabei, mir mit meiner Tätigkeit als Mentorin ein Standbein aufzubauen. Hingabe. Und jetzt stocke ich. Hingabe, das ist für eine Macherin eigentlich die Luft, die sie atmet. Aber wie hingebungsvoll widme ich mich meiner Arbeit?

Exkurs:

Standbein:

Das Bein, das während des Gangzyklus momentan Kontakt mit dem Boden hat und damit das Gewicht des Körpers trägt.

Mit meinem Business, wie man heute so schön sagt, ist es gar nicht so busy, wie ich es mir wünschen würde. Ich merke, ich brauche einen langen Atem. Aber wie lang kannst du den Atem ziehen? Wenn nach einiger Zeit immer noch nicht genug Menschen von dir wissen, und erkennen, welche großen Entwicklungsschritte möglich sind, wenn man mal genau hinsieht, wo es gerade stockt und warum es vielleicht eine Blockade gibt?

Hingabe. Wenn ich mit einer Klientin im Gespräch bin, kann ich sie fühlen. Wir kreieren gemeinsam einen Raum, in dem etwas nahezu Magisches passiert. Das ist mein Gefühl, und auch das Feedback, das ich nach den Sitzungen und besonders nach dem Abschluss eines Erkenntniszyklus‘ von meinen Klientinnen bekomme.

Aber wenn ich daran denke, wie viel Hingabe ich in die Akquise stecke, um mehr solcher hingebungsvollen Momente zu kreieren, komme ich ins Zweifeln. Ich zweifle plötzlich an etwas, das vorher unumstößlich feststand. Bin ich vielleicht doch keine Macherin?

Schlummert in mir vielleicht doch nicht die Power, derer ich mir so sicher bin? Bewahrerin oder Kontrolleurin bin ich auf gar keinen Fall, das ist sicher. Und klar, ich kenne meine visionären Anteile, das wäre eine Alternative. Aber auch das ist nicht stimmig. Ich bin nicht immer im Kopf schon drei Jahre in der Zukunft. Ich bin hier und heute. Unermüdlich Handeln, das ist mein Ding.

Aber! Wieso bin ich, wenn es um das eine Puzzleteil geht, das mir in meinem Leben gefehlt hat, nämlich einen erfüllenden und sinnstiftenden Beruf auszuüben, plötzlich so handlungsschwach? Warum stockt der Duracell-Hase ausgerechnet jetzt?